Die Biennale in der Lagunenstadt findet noch bis zum 22. November statt. Sie ist eine der wichtigsten Kunstschauen weltweit. KünstlerInnen aus dem Süden sind wohl in der Minderheit, doch erkämpfen sie hartnäckig ihren Raum und haben Wichtiges zu sagen.
Es stimmt schon: Die Trendsetter und die herausragenden Arbeiten kommen überwiegend aus dem Norden. Doch kommen auch KünstlerInnen und Themen aus der so genannten Dritten Welt bei der Biennale zum Zug. Brasilien, Südkorea und Ägypten sind mit eigenen Pavillons vertreten, die beiden ersteren mit noch nicht allzu markantem Eigenprofil. Im ägyptischen Pavillon vermitteln Installationen aus dem Alltag ein schönes Stück lokalen Lebensgefühls. Uruguay erheitert mit einem überaus seriös gekleideten Vogelstimmen-Imitator namens Uribe, der seine Sache so gut macht, dass sich BesucherInnen zum Mitmachen animiert sehen.
Der polnische Pavillon nimmt sich mit den Videoinstallationen von Krzysztof Wodiczko, unter dem Titel „Guests“, des Themas Flucht und Migration an: „Fremd“, „anders“, endlos „Gast“ sein – nicht nur in den Anrainerstaaten des Mittelmeers ein wunder Punkt und nicht nur heute. „Menschen leben in unserer unmittelbaren Umgebung und sind doch sozial unsichtbar“, sagt Wodiczko. Ein Zitat am Eingang ist Leitsatz: „Refugees driven from country to country represent the vanguard of their peoples.“ Hannah Arendt hat das gesagt – im Jahr 1943.
Unter den lateinamerikanischen Ländern besticht Venezuela mit einem innovativen Pavillon unter dem Motto: „Mundos en Proceso“ („Welten in Arbeit“), was dem künstlerischen Motto der Biennale entspricht („Fare Mundi“, Welten machen) und auf angenehme Art ganz ohne bolivarischen Trommelwirbel auskommt. Eine KünstlerInnengruppe hat ihn gestaltet, darunter Bernardita Rakos mit einer überraschenden Wohnküche als Rauminstallation, Magdalena Fernández mit ihren „Mobile Paintings“, Antonieta Sosa mit ihrer Sammlung „El polvo de mi cuarto“ (Realgegenstände) und Antonio Pérez mit seinen „Experiencia de archivos“ – Arbeiten mit venezolanischen Indígenas. Ein kreativer Beitrag, der Maßstäbe setzt.
Andere KünstlerInnen arbeiten sich am unbefriedigenden Ist-Zustand ihrer Lebenswelt ab. Eines der beeindruckendsten Werke dieser Biennale ist die großflächige Raumgestaltung von Pascale Marthine Tayou aus Kamerun in den Hallen des „Arsenale“. Die Wärme der Farben und des Lichts kontrastiert hier mit der düsteren Atmosphäre armseliger Holzverschläge auf Pfählen, umgeben von einem Durcheinander aus Werkzeugen, Farbeimern und Spanabfällen. Videos aus der afrikanischen Arbeitswelt und Straßenszenen hämmern mit entsprechender akustischer Untermalung auf den Betrachter ein. Säcke mit der Aufschrift: „Cocaína“ stehen daneben. Der afrikanische Kontinent: ein Scherbenhaufen.
Fiona Tans audiovisuelle Installation „Disorient“ behandelt Venedigs Stellung als Handelsmacht vor der ersten „Globalisierung“, die mit der Entdeckung der Seerouten nach Asien durch Vasco da Gama (1498) begann. Ein Stück „Globalisierung“ der anderen Art erleben Biennale-BesucherInnen, die sich abseits der Touristenströme in der Lagunenstadt bewegen: Kleinräumiger Wohnalltag in arg herunter gekommenen Häusern nimmt der Morbidität Venedigs hier ihren sprichwörtlichen Schick und kontrastiert mit den Auslagen im Zentrum, wo Schuhe für 850 Euro das Paar angeboten werden. Peripherie auch in der Kunstmetropole 2009.